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In Verruf

2 Uhr, irgendwo in Mainz. In Verruf steht hinter drei CDJs und wir davor.

Es ist, als wenn tausend Pferde ueber eine endlose Weide galoppieren und jeder ihrer Hufe auf dem Boden einen gewaltigen Donnerstoss im Himmel ausloest. Schweiss getraenkt halten wir Schritt mit dieser Urgewalt. Zu dem Donnergrollen der Trommeln mischen sich jetzt treibende Hoehen - die Hihats waren gekommen, jede Einzelne wie ein Peitschenhieb auf unsere feuchte Haut. Messerscharf legen sie sich auf uns nieder, bestimmen jede Bewegung. Am Horizont tuermt ein gigantischer Berg aus Synthesizern. Toene, die so gross sind, dass sie mehr als nur den Raum einnehmen, in dem wir tanzen und Sprache zu simpel ist, um ihnen gerecht zu werden. Und dann schweben wir. Das Galoppieren ist verstummt, der Boden unter unseren Fuessen weggerissen. Eine sanfte Boehe befoerdert uns ganz nach oben, ich schliesse meine Augen und hoere in den wunderschoenen Melodien die Sterne funkeln. Wir fliegen in der Atmosphaere, ganz leicht und ohne Anstrengung. Schweiss tropft von unseren Koerpern, als waere es ihm in dieser Stasis erlaubt sich von uns zu loesen. Ja ich kann mir hier oben sogar eine leichte Briese einbilden, die meinen Ruecken kuehlt. Ganz kurz kann ich mich auf den chemisch salzigen Geruch konzentrieren, bevor wir von der Kick so gewaltsam aus dem Himmel gerissen werden, dass mir der Atem fehlt und wir anfangen zu brennen. Nach diesem Fall, der nur einen Wimpernschlag gedauert hat, galoppiert die Herde wieder, noch viel gewaltsamer als vorher. Unsere gesamte Welt hat sich auf ein Pulsieren komprimiert, sie ist ein Hagel aus Drums und perkussiven Elementen, ein gewaltiger Sturm aus Haut, Schweiss, Licht und Musik. Eine Welt, in der wir zwischen zwei Drums unsere gesamte Lebensenergie verwenden, sterben und neu geboren werden. Wenn ich die Augen nicht geschlossen habe, sehe ich in meinen Augenwinkeln tobende Schemen, die den gleichen Kampf wie ich kaempfen: Koerper gegen Musik. Nach einer Weile kann man nicht mehr zwischen Sekunden und Minuten unterscheiden. Und dann passiert es ploetzlich: Stille. So still, dass unser kollektives Atmen das Lauteste ist - den vergangenen Sekunden noch nach atmend. Die heisse Luft zerreisst fast vor freudiger, ekstatischer Spannung. Und dann bricht der Boden auf und aus dem, was nur die Hoelle unter uns sein kann, steigt die boeseste Bassline zu uns hinauf, die ich je gehoert habe. Mit meinen nassen Heanden auf meinem genauso nassen Kopf und den Fingern an meiner Schlaefe kann ich mein tobendes Blut spueren, was durch die Adern meiner Schlaefe mit circa 160 Schlaegen pro Minute stroemt. Dann kommt die Kick, ich mache meine Augen wieder zu, ein vocal sample ertoent und der Rest ist Geschichte.